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Aktuelles aus dem Medizinrecht

  • 04.01.2012 | Alte Zöpfe - neue Risiken - Was beim Datenschutz in der Arztpraxis zu beachten ist
  • Grundlage der Vertrauensbeziehung zwischen Arzt und Patient und damit Voraussetzung für eine erfolgsversprechende Behandlung ist die Gewissheit des Patienten, dass sämtliche Informationen, die er dem Arzt über sich preisgibt und die dieser aus der Behandlung gewinnt, nicht ohne seine Zustimmung an Dritte weitergegeben werden. Die ärztliche Schweigepflicht ist eine Nebenpflicht aus dem Behandlungsvertrag, bei deren unbefugter Durchbrechung sich der Arzt wegen Geheimnisverrats gemäß § 203 des Strafgesetzbuches (StGB) strafbar macht. Daneben regelt das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) den Umgang mit den sensiblen Daten und schreibt die schriftliche Einwilligung des Betroffenen in die Erhebung und Verwendung personenbezogener Daten vor. Wie die Rechte der Patienten bei der Praxisübernahme durch einen Nachfolger, der auch die Patientenkartei übernimmt, gewahrt werden, welche Rechte Patienten im Zusammenhang mit ihren Behandlungsunterlagen zustehen und welche Anforderungen an die Weitergabe von Informationen von Arzt zu Arzt zu stellen sind, soll der folgende Überblick darstellen:

    1.    Die Patientenkartei bei der Praxisübergabe

    Bis Anfang der 90er Jahre war es bei der Übernahme der Praxis durch einen Nachfolger möglich, dass dieser ohne vorherige Befragung oder Zustimmung der Patienten die Patientenkartei des Vorgängers übernahm, die neben den Adress- auch sämtliche Gesundheitsdaten enthielt. Mit Urteil vom 11.12.1991 (Az. VIII ZR 4/91) hat jedoch der Bundesgerichtshof (BGH) diese Rechtsprechung ausdrücklich aufgegeben und verlangt nunmehr vom Praxisveräußerer, vor der Weitergabe der Patientendaten an den Nachfolger die Zustimmung der Patienten „in eindeutiger und unmissverständlicher Weise einzuholen“. Es ist nicht Sache des Patienten, der Weitergabe zu widersprechen, so dass in seinem Schweigen auf die Aufforderung, der Weitergabe zuzustimmen, kein stillschweigendes Einverständnis gesehen werden kann. Seither ist auch in § 10 der Musterberufsordnung für Ärzte (MBO-Ä) der Passus enthalten, wonach Praxiserwerber die ihnen überlassenen Patientenunterlagen nur mit Einwilligung der Patienten einsehen dürfen.

    Praktisch durchgeführt wird die Weitergabe der Patientenkartei in der Regel nach dem „Zwei-Schrank-Modell“ nach dem Konzept der „Münchener Empfehlungen“ zur Wahrung der ärztlichen Schweigepflicht bei Veräußerung einer Arztpraxis vom 08.04.1992. Die Behandlungsunterlagen der Patienten, von denen keine schriftliche Zustimmung zur Weitergabe vorliegt, werden von dem Praxiserwerber gesondert („in einem zweiten Schrank“) von der übrigen Kartei aufbewahrt und verbleiben rechtlich noch im Eigentum des Vorgängers, EDV-Karteien sind durch ein Passwort zu schützen. Erscheint nun einer dieser Patienten in der Praxis des Nachfolgers, um sich behandeln zu lassen, so bringt er durch sein Verhalten zum Ausdruck, dass er mit dem Erwerb und der Einsicht in seine Patientenunterlagen einverstanden ist. Diese Behandlungsunterlagen darf der Nachfolger sodann zu seiner übrigen Patientenkartei nehmen. Nach Ansicht des BGH und laut BDSG ist diese Form der nicht schriftlich erteilten Zustimmung zulässig, muss jedoch durch den Arzt schriftlich bestätigt werden. In Praxisübergabeverträgen ist diese Art der Weitergabe der Behandlungsunterlagen ausdrücklich und detailliert aufzunehmen und sicherzustellen, dass ein Zugriff Unbefugter, etwa des Praxispersonals, ausgeschlossen ist.

    Vertragsklauseln, die eine Weitergabe der Daten ohne Zustimmung der Patienten vorsehen, verstoßen gegen das grundrechtlich verbürgte informationelle Selbstbestimmungsrecht der Patienten und sind daher nichtig. Ob damit auch der gesamte Praxisübergabevertrag unwirksam ist, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab:

    Grundsätzlich führt die Nichtigkeit einer einzelnen Vertragsklausel zur Unwirksamkeit des gesamten Vertrags. Diese Auswirkung können die Vertragsparteien jedoch ausschließen, was in der Regel in einer sogenannten Salvatorischen Klausel auch vereinbart wird. Damit bringen Praxisveräußerer und -erwerber zum Ausdruck, dass sie auch bei Unwirksamkeit einzelner Bestimmungen insgesamt an dem Vertrag festhalten wollen.

    Zu beachten ist jedoch, dass nach der Rechtsprechung des BGH unter Umständen dennoch eine Unwirksamkeit des gesamten Praxisübernahmevertrags mit der Folge der Rückabwicklung möglich ist: Nämlich dann, wenn die unwirksame Bestimmung ein so wesentliches Gewicht besitzt, dass nicht mehr angenommen werden kann, dass die Parteien den Vertrag auch ohne sie abgeschlossen hätten. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn auf die Patientenkartei ein gesonderter Teil des Kaufpreises entfällt und dieser im Vergleich zum Gesamtkaufpreis einiges Gewicht hat (im Urteil des BGH vom 11.10.1995 - Az. VIII ZR 25/94 waren es 5o Prozent).


    2.    Weitergabe der Behandlungsunterlagen von Arzt zu Arzt

    In allen Fällen, in denen sich ein Patient bei mehreren Ärzten in Behandlung befindet, etwa zum Zwecke der Nach- oder Weiterbehandlung, ist es sinnvoll, die für die Behandlung erforderlichen Behandlungsdaten des Patienten dem jeweils anderen Arzt zur Verfügung zu stellen. Damit wird eine effiziente Weiterbehandlung erleichtert und es können unnötige Kosten und Belastungen des Patienten durch Doppeluntersuchungen vermieden werden. Jeder der an der Behandlung beteiligten Ärzte und der Patient selbst haben das Recht, die Weitergabe der Behandlungsdaten von dem jeweils anderen bzw. an den anderen behandelnden Arzt zu verlangen. Dafür ist jedoch immer eine schriftlich erteilte Einwilligung des Patienten erforderlich.

    Für die Weitergabe der Behandlungsunterlagen oder die Information in Arztbriefen gelten insoweit ebenfalls die Vorschriften des BDSG. Daneben schreibt § 73 Absatz 1b des Fünften Sozialgesetzbuches (SGB V) ausdrücklich vor, dass vor jeglicher Weitergabe von Informationen über den Patienten dessen schriftliche Einwilligung einzuholen ist. Das bedeutet, dass der Hausarzt nicht ohne weiteres dem Facharzt, an den er seinen Patienten überweist, Diagnose, Vorgeschichte oder Behandlungsunterlagen des Patienten übermitteln darf. Der Facharzt wiederum ist verpflichtet, den Patienten nach seinem Hausarzt zu fragen, muss aber auch vor der Erstellung eines Arztbriefes die schriftliche Einwilligung des Patienten einholen.

    Dieses Erfordernis der schriftlichen Einwilligung wird allzu häufig übergangen und damit das Selbstbestimmungsrecht der Patienten verletzt. Auch die Verpflichtung des Facharztes, nach dem Hausarzt des Patienten zu fragen und einen Arztbrief zu erstellen, wird insbesondere im niedergelassenen Bereich häufig vernachlässigt. Dabei ist es nicht einmal erforderlich, vor jeder einzelnen Weitergabe von Informationen den Patienten zu befragen, vielmehr kann dieser eine generelle, aber jederzeit widerrufbare Einwilligung erteilen, die unkompliziert bei der erstmaligen Vorstellung eingeholt werden kann.

    Zu beachten ist jedoch, dass nur ein Anspruch auf bzw. die Verpflichtung zur Herausgabe der Daten besteht, die für die jeweilige Behandlung erforderlich sind. Ein Facharzt kann daher nicht die gesamte Patientenakte des Hausarztes seines Patienten anfordern. Anders jedoch beim Hausarztwechsel: In diesem Fall hat der bisherige Hausarzt - selbstverständlich mit Einwilligung des Patienten - die gesamte Patientenakte an den neuen Hausarzt zu übermitteln. Für diejenigen Patientenunterlagen, die der Arzt von einem anderen Arzt erhalten hat, gelten ebenfalls die Aufbewahrungsfristen von mindestens zehn Jahren.


    3.    Das Einsichtsrecht des Patienten

    Die ärztliche Pflicht zur Dokumentation besteht unter anderem deshalb, weil der Arzt in der Lage sein muss, dem Patienten jederzeit ohne Angabe von Gründen Auskunft über die Behandlung erteilen zu können und ihm gleichsam „Rede und Antwort“ zu stehen. Dieses Recht des Patienten ergibt sich direkt aus dem Behandlungsvertrag und zur Vorbereitung eines Rechtsstreits dazu aus prozessualen Gesichtspunkten.

    Darüber hinaus sieht auch § 34 BDSG ausdrücklich ein kostenloses Auskunftsrecht vor:

        (”¦)

        (6) Die Auskunft ist auf Verlangen in Textform zu erteilen (”¦).

        (”¦)

        (8) Die Auskunft ist unentgeltlich. (”¦)

    Die Textform ist dabei auch durch Vorlage der (Original-)unterlagen zur Einsichtnahme erfüllt, so dass der Patient oder dessen Rechtsanwalt kostenfrei lediglich verlangen können, die Behandlungsunterlagen in den Praxisräumen einsehen und gegebenenfalls kopieren zu können. Eine Verpflichtung des Arztes, Kopien für den Patienten anzufertigen, lässt sich demgegenüber nicht aus der Vorschrift ableiten, jedoch wird dies in der Praxis regelmäßig so gehandhabt, um eine Störung des Praxisbetriebs durch Auskunft suchende Patienten zu vermeiden. In diesem Fall steht dem Arzt jedoch ein Anspruch auf Erstattung der Kopierkosten gegen den Patienten zu.

    Ein kurzfristiges Überlassen der Originalunterlagen zur Anfertigung von Kopien sollte - wo immer es geht - unterbleiben; nur bei förmlicher Beschlagnahme der zuständigen Amtsgerichte sind Behandlungsunterlagen im Original an die Ermittlungsbehörden (Polizei, Staatsanwaltschaft) herauszugeben. Ausnahmsweise kann der Arzt jedoch verpflichtet sein, dem Patienten vorübergehend die Originalunterlagen zu überlassen, wenn dieser gerade die Originale benötigt, insbesondere wenn z.B. Röntgenbilder oder Fotografien nicht in gleicher Qualität kopiert werden können. Für den Fall der Nach- bzw. Weiterbehandlung durch einen anderen Arzt ist dies für Röntgenbilder sogar gesetzlich in § 28 Abs. 8 Röntgenverordnung vorgeschrieben.


    Insgesamt ist festzuhalten, dass der Umgang mit der Patientenakte äußert sorgsam erfolgen muss, da das Selbstbestimmungsrecht des Patienten einerseits und die Schweigepflicht des Arztes andererseits enge Grenzen aufzeigen. Generell gilt: Datenschutz in der Arztpraxis ist unerlässlich, um die hochsensiblen Gesundheitsdaten der Patienten zu schützen. Gerade bei EDV-Nutzung müssen daher die Sicherheitsvorkehrungen wie Firewalls, Passwortschutz und Wartung den Anforderungen genügen, die die Bundesärztekammer in ihren „Empfehlungen zur ärztlichen Schweigepflicht, Datenschutz und Datenverarbeitung in der Arztpraxis“ vorgibt (unter www. Bundesaerztekammer.de).


    Rechtsanwalt Dr. jur. A. Wienke
    Fachanwalt für Medizinrecht
    Rechtsanwältin R. Sailer
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