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Aktuelles aus dem Medizinrecht

  • 22.11.2022 | Dauerbrenner Arztbewertungsportale
  • Arzt-Bewertungsportale haben sich in den vergangenen Jahren im Internet fest etabliert und werden von einer Vielzahl von Patienten* im Vorfeld eines Arztbesuches aufgerufen, um Erfahrungsberichte von Patienten und deren Bewertungen der Praxis bzw. des Arztes einzusehen. Die Existenz dieser Bewertungsportale ist vielen Ärzten ein Dorn im Auge. Insbesondere dann, wenn sich Patienten dort negativ über den jeweiligen Arzt auslassen oder Unwahrheiten verbreiten. Kritisch werden darüber hinaus die Möglichkeiten von zahlungspflichtigen Mitgliedschaften in den Portalen gesehen, mittels derer Ärzte bei Suchergebnissen hervorgehoben werden und so für Neu-Patienten schneller zu finden sind als nicht zahlende Kollegen.

    Viele dieser Streitpunkte waren in den vergangenen Jahren bereits Gegenstand gerichtlicher Verfahren. Wir stellen im Folgenden einige wichtige Entscheidungen der Rechtsprechung vor und geben einen Überblick über die häufigsten Fragen rund um den Dauerbrenner „Arzt-Bewertungsportale“.

    1.    Aufnahme in ein Bewertungsportal und Löschung des Profils
    Die Aufnahme eines Arztes in ein Bewertungsportal erfolgt regelmäßig durch den Betreiber des Bewertungsportals und häufig gegen den Willen des betroffenen Arztes. Trotzdem ist die Aufnahme des Arztes mit Name, Fachrichtung und Praxisanschrift – Informationen aus allgemein zugänglichen Quellen – in das Portal zulässig. Das musste 2014 auch ein niedergelassener Gynäkologe hinnehmen, der sich gegen den über ihn in einem Portal existierenden Eintrag wehren und dessen Löschung erwirken wollte.

    Der Bundesgerichtshof (BGH) führte in seiner dazu ergangenen Entscheidung (BGH, Urt. v. 23.09.2014 – VI ZR 358/13) aus, dass die Aufnahme in das Bewertungsportal neben dem Recht des Arztes auf informationelle Selbstbestimmung auch dessen Berufsfreiheit berühre. Denn das Portal diene der Außendarstellung und jeder darin aufgenommene Arzt sei dadurch gezwungen, sich unter Einbeziehung entsprechender Bewertungen mit anderen aufgeführten Ärzten vergleichen zu lassen. Dies könne erhebliche Auswirkungen auf die beruflichen Chancen und die wirtschaftliche Existenz des einzelnen Arztes haben, denn die Breitenwirkung der Portale sei enorm. Gleichwohl stellte der BGH fest, das in einer Gesamtabwägung das Interesse des Betreibers des Bewertungsportals, dessen Recht auf Kommunikationsfreiheit und Berufsaus-übungsfreiheit hier betroffen seien, überwiege. Zur Begründung verwies er insbesondere auf die Schutzmechanismen des Portals, mithilfe derer Mehrfachbewertungen und Bewertungen ohne realen Hintergrund verhindert werden könnten. Außerdem ge-be es die Möglichkeit, unzulässige Bewertungen (etwa unwahre Tatsachenbehauptun-gen oder beleidigende Kommentare) zu melden und löschen zu lassen. Es liege schließlich auch im Interesse der Öffentlichkeit, also den Portalnutzern, Informationen über ärztliche Dienstleistungen verfügbar zu machen. Grundsätzlich sei das Portal geeignet, die Leistungstransparenz im Gesundheitswese zu fördern. Die Anonymität der Bewertungen spiele dabei eine entscheidende Rolle, da mit der Bewertung häufig die Mitteilung sensibler Gesundheitsinformationen zum Grund der Behandlung oder der Art der Therapie verbunden seien, weshalb eine Offenlegung der Identität für viele Patienten nicht in Frage käme.

    Diese Einschätzung bestätigte der BGH zuletzt Anfang dieses Jahres (BGH, Urt. v. 15.02.2022 – VI ZR 692/20). Dabei stellte er insbesondere klar, dass auch unter Gel-tung der DS-GVO kein Anspruch auf Löschung des Profils bestehe, da die Datenverarbeitung unter Berücksichtigung der betroffenen Interessen rechtmäßig sei.

    2.    Ungleichbehandlung zahlender und nicht-zahlender Ärzte
    Längst sind die Bewertungsportale jedoch nicht mehr allein mit Informationen zu den Ärzten und ihren Bewertungen gefüllt. Über kostspielige „Pakete“ können sich Ärzte eine besonders umfangreiche, optimierte und gegenüber den nicht-zahlenden Kolle-gen hervorgehobene Darstellung ihres Profils hinzukaufen. In diesem Zusammenhang hat der BGH über einen Fall zu entscheiden (BGH, Urt. v. 20.02.2018 – VI ZR 30/17), in dem eine niedergelassene Dermatologin und Allergologin die Löschung ihres Profils verlangte. Das Bewertungsportal war in diesem Fall so ausgestaltet, dass Ärzte gegen Bezahlung ihre Profile mit einem Foto und zusätzlichen Informationen versehen konn-ten, sog. „Premium-Paket“. Außerdem wurde lediglich bei nicht zahlenden Ärzten unmittelbar auf dem Profil Werbung für konkurrierende, zahlende Ärzte mit Premium-Paket geschaltet – mit Foto, Entfernungsangaben und Noten. Für diesen Fall bejahte der BGH nach Abwägung der widerstreitenden Interessen das Löschungsbegehren der Ärztin. Der Portalbetreiber sei durch das Angebot der zahlungspflichtigen Premium-Pakete und die damit einhergehenden Präsentations- und Wettbewerbsvorteile kein neutraler Kommunikationsmittler mehr. Vielmehr verschaffe er den zahlenden Premium-Kunden einen verdeckten Wettbewerbsvorteil. Deshalb trete in diesem Fall die Kommunikationsfreiheit des Portalbetreibers in der Abwägung hinter den Interessen des einzelnen Arztes zurück.

    Ähnlich argumentierte der BGH auch jüngst (BGH, Urt. v. 12.10.2021 – VI ZR 488/19 u. VI ZR 489/19). In dem den Entscheidungen zugrunde liegenden Fall klagte eine Fachzahnärztin für Parodontologie gegen die Aufnahme ihrer Daten in ein Bewertungsportal, das den Nutzern gegen Entgelt ein „Gold-Paket“ und „Platin-Paket“ anbot. Diese Pakete ermöglichten eine ansprechende Gestaltung etwa durch Hinzufügen eines Fotos, Verlinkung der Praxishomepage oder Hinzufügen von Fachartikeln. Das „Basis-Profil“ der Zahnärztin hingegen war lediglich mit Name, Fachrichtung, Praxisanschrift und den abgegebenen Bewertungen versehen. Mit ihrer Klage wehrte sie sich gegen diese ungleiche Darstellung der Profile sowie den Umstand, dass auf ihrem Basis-Profil – anders als bei den zahlenden Nutzern – auf die Profile anderer Ärzte verwiesen und Werbung für Drittunternehmen, wie z.B. Reiseveranstalter, geschaltet würde. Der BGH hielt auch in diesem Fall an der Auffassung fest, dass in der Ge-samtabwägung die Interessen der Zahnärztin hinter denen des Portalbetreibers und der Öffentlichkeit zurückzutreten hätten. Unter anderem sei die Verlinkung von Profilen zahlender Ärzte auf dem Basis-Profil der Zahnärztin zulässig, da nicht festzustellen sei, dass die angezeigten Ärzte aus dem räumlichen Umfeld der Zahnärztin kämen und somit in direkter Konkurrenz zu ihr stünden. Zudem seien die Profile zahlender Premium-Kunden mit einer entsprechenden farblichen Absetzung und dem Wort „Anzeige“ als solche für den Nutzer kenntlich gemacht. Auch mit der Einblendung von Werbung für Drittunternehmen auf dem Basis-Profil gehe kein nennenswerter Nachteil einher, insbesondere da die Werbung keinen übermäßigen Umfang auf der Seite einnehme.

    3.    Vorgehen gegen einzelne Bewertungen

    Die Bewertungen auf den Bewertungsportalen werden in der Regel nach Schulnoten oder in einem ähnlichen Punktesystem dargestellt und sind teilweise in verschiedene Kategorien, wie z.B. „Wartezeit“, „Behandlung“ oder „Vertrauensverhältnis“ untergliedert. Die Bewertungen werden von den Nutzern des Portals abgegeben und können in der Regel zusätzlich mit einem Fließtext versehen werden, in dem die Patienten den Arztbesuch beschreiben und ihre Erfahrungen teilen.

    Doch viele Ärzte klagen darüber, dass die Bewertungen und von den Patienten gemachten Angaben falsch negativ oder beleidigend und daher persönlichkeitsrechtsver-letzend sind. Sie möchten einzelne Bewertungen löschen und ggf. gegen den jeweiligen Nutzer rechtliche Schritte einleiten. Der BGH (BGH, Urt. v. 01.03.2016 – VI ZR 34/15) hat in diesem Zusammenhang entschieden, dass der Betreiber des Bewertungsportals grundsätzlich nicht verpflichtet sei, die Beiträge vor ihrer Veröffentlichung auf eventuelle Rechtsverletzungen – hier insbesondere die Verletzung des Persönlichkeitsrechts durch Beleidigung oder die Verbreitung unwahrer Tatsachen – zu überprüfen. Allerdings müsse der Betreiber, wenn er Kenntnis von einer vermeintlichen Rechtsverletzung habe, z.B. aufgrund einer Beschwerde des betroffenen Arztes, aktiv werden und den Hintergrund der Bewertung aufklären. Die Löschung einer negativen Bewertung kann ein betroffener Arzt nicht ohne Weiteres verlangen. Denn Meinungsäußerungen bis zur Grenze der Schmähkritik und die Darstellung wahrer Tatsachen sind stets zulässig. Nur wenn der Betreiber nach entsprechender Überprüfung zu dem Ergebnis kommt, dass die Bewertung eine Persönlichkeitsverletzung darstellt oder erwiesenermaßen falsch ist, muss die Bewertung korrigiert bzw. gelöscht werden.

    Der Betreiber ist nach der Rechtsprechung des BGH (BGH, Urt. v. 01.07.2014 – VI ZR 345/13) im Übrigen nicht befugt, dem von persönlichkeitsverletzenden Inhalten betroffenen Arzt Auskunft über die Anmeldedaten eines Nutzers zu erteilen.

    4.    Zusammenfassung und Fazit

    Die ergangenen Entscheidungen der Rechtsprechung machen deutlich, dass bei Kon-flikten zwischen Betreibern von Bewertungsportalen und Ärzten Dreh- und Angelpunkt eine umfassende Interessenabwägung ist. Die Ungleichbehandlung zwischen zahlenden und nicht-zahlenden Ärzten im Hinblick auf die Darstellung der Profile in den Portalen ist – solange diese Differenzierung für Dritte nach außen kenntlich gemacht wird – in der Regel hinzunehmen. Entscheidend ist hier stets die Gestaltung des Portals und die Abwägung der Interessen im Einzelfall.

    Negative Bewertungen und Äußerungen sind nur dann rechtlich angreifbar, wenn es sich um  Schmähkritik, Beleidigungen oder falsche Tatsachenbehauptungen handelt, weil sie die Persönlichkeitsrechte des Arztes verletzen. Bei falschen oder beleidigenden Bewertungen können die betroffenen Ärzte vom Betreiber des Bewertungsportals verlangen, die Bewertung auf Rechtsverletzungen zu überprüfen und gegebenenfalls zu löschen.

    Insgesamt wird jedoch deutlich, dass die Handhabe für betroffene Ärzte begrenzt ist. Die Überprüfung einzelner Bewertungen kostet viel Zeit und Nerven und wird nur in begründeten Einzelfällen zu einer Löschung oder Korrektur führen, denn begründete Kritik an der Behandlung muss auch in anonymisierter Form hingenommen werden. Ob sich ein Vorgehen gegen einzelne Bewertungen auf einschlägigen Portalen lohnt, muss jeder betroffene Arzt selbst abwägen. Bestenfalls beugt man vor und gibt wenig Anlass für schlechte Bewertungen…

    * In diesem Beitrag wird ausschließlich aus Gründen der besseren Lesbarkeit stets die männliche Form verwendet; sie bezieht sich auf Personen jeden Geschlechts.



    Köln im August 2022


 
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