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Aktuelles aus dem Medizinrecht

  • 24.09.2019 | Haben Honorarärzte doch noch eine Zukunft?
  • Die Pressemitteilung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 04.06.2019 war eindeutig: „Honorarärzte im Krankenhaus sind regelmäßig sozialversicherungspflichtig“. Die amtlichen Infor-mationen über das am selben Tage verkündete Urteil des Bundessozialgerichts zum Akten-zeichen: B 12 R 11/18 R vermittelten den Eindruck, dass Ärzte, die als Honorarärzte in einem Krankenhaus tätig werden, regelmäßig keine selbständige Tätigkeit ausüben, sondern als Be-schäftigte des Krankenhauses der Sozialversicherungspflicht unterliegen. Was schnell als „Aus“ für den Honorararzt im Krankenhaus gedeutet wurde, zeigt sich nun bei Vorliegen der schriftlich abgefassten Entscheidungsgründe des BSG als vielleicht vorschnelle Einordnung.

    1. In seiner Leitentscheidung vom 04.06.2019 kommt das BSG zwar in den jeweiligen Einzelfällen zu dem Ergebnis, dass die betroffenen Ärzte und Pflegekräfte als sozialversicherungspflichtig angestellte Beschäftigte des jeweiligen Krankenhauses anzusehen sind. In den Entscheidungsgründen hebt das BSG jedoch hervor, dass die Abgrenzung zwischen sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung einerseits und Selbständigkeit andererseits nicht abstrakt für bestimmte Berufs- und Tätigkeitsbilder erfolgen dürfe. Es sei daher möglich, dass ein und derselbe Beruf – je nach konkreter Ausgestaltung der vertraglichen Grundlagen in ihrer gelebten Praxis – entweder in Form der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung oder als selbständige Tätigkeit ausgeübt werde. Maßgebend seien immer die konkreten Umstände des individuellen Sachverhalts.

    2. Der Begriff des Honorararztes – so das BSG – sei nicht legal definiert und umfasse verschiedene Ausübungsformen und Vertragsgestaltungen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesverfassungsgerichts sei unter einem Honorararzt ein zeitlich befristet freiberuflich auf Honorarbasis tätiger (Fach-) Arzt zu verstehen, der auf Grund eines Dienstvertrages im stationären und/oder ambulanten Bereich des Krankenhauses ärztliche Leistungen für einen Krankenhausträger erbringe, ohne bei diesem angestellt oder als Beleg- oder Konsiliararzt tätig zu sein. Im Sprachgebrauch werde der Begriff des Honorararztes verwendet, um Tätigkeiten zu beschreiben, die die Vertragsparteien als freiberuflich bzw. selbständig verstehen. Nach Auffassung des BSG kommt es aber nicht darauf an, ob nach der Verkehrsanschauung anerkannt ist, dass Honorarärzte im Krankenhaus selbständig tätig sind oder sein können. Ausschlaggebend seien stets die konkreten Umstände des individuellen Einzelfalls.

    3. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine sozialversicherungsrechtliche Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem auf Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt.

    Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbständig tätig ist, richtet sich danach, welcher Umstände das Gesamtbild der Arbeitsleistung prägen und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Die Zuordnung einer bestimmten Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung oder der selbständigen Tätigkeit setzt voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend anerkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, d.h. den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden.

    4. Von diesen Maßstäben ausgehend hat das Bundessozialgericht in den jetzt ergangenen Entscheidungen die jeweiligen Ärzte und Pflegekräfte als sozialversicherungspflichtige Beschäftigte eingeordnet. Dies leuchtet in den Einzelfällen auch ein, da die jeweiligen Ärzte und Pflegekräfte auf Anforderung des jeweiligen Krankenhausträgers ihre Leistungen erbringen mussten und insoweit letztlich in einem persönlichen Abhängigkeitsverhältnis zum jeweiligen Krankenhausträger standen, zumal auch in einigen Fällen keine eigene Praxis vorgehalten wurde.

    5. Dass der Beruf oder die Tätigkeit des Honorararztes im Krankenhaus damit nicht völlig vom Tisch ist, zeigt ein Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 06.06.2019 – L 7 R 5050/17. Ein privater Krankenhausträger schloss im Rahmen der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV) über Kooperationsverträge ein Netzwerk mit Hausärzten, die mit ihren jeweiligen eigenen Praxen an der Palliativversorgung teilnahmen. Das Landessozialgericht war in diesen Fällen nach Abwägung sämtlicher Umstände davon überzeugt, dass hier eine selbständige Tätigkeit ausgeübt werde. So war der jeweilige Hausarzt laut Kooperationsvertrag berechtigt, die Leistungen entweder selbst oder über einen Vertreter zu erbringen. Zudem war er völlig frei, wann, wie und in welchem zeitlichen Umfang er die Patienten versorgte. Diesbezügliche Weisungen waren vertraglich ausdrücklich ausgeschlossen. Zudem betonte das Landessozialgericht, dass der Kooperationsvertrag zur spezialisierten ambulanten Palliativversorgung die Beschäftigung freiberuflicher Kooperationsärzte ausdrücklich vorsehe.

    Auch im pflegerischen Bereich sind Honorarverträge nach wie vor durchaus denkbar, wenn es um Spezialisten im Pflegebereich geht, die sich nicht nur einem oder zwei Krankenhäusern verdingen, sondern wechselnd als sogenannte Freelancer für Krankenhäuser tätig sind. Ähnliche Einzelfälle gibt es im zahnärztlichen Bereich, wenn Zahnärztinnen oder Zahnärzte ausschließlich Vertretertätigkeiten in wechselnden Zahnarztpraxen vornehmen und selbst keine eigene Zahnarztpraxis vorhalten.

    Wer nach den Entscheidungen des BSG vom 04.06.2019 daher an einer honorarärztlichen Tätigkeit im Krankenhaus festhalten will, sollte die im Urteil des BSG vom 04.06.2019 genannten Voraussetzungen im Einzelnen abwägen und gewichten, um für den Fall eines Statusfeststellungsverfahrens bezüglich der Sozialversicherungspflichtigkeit seiner Tätigkeit gewappnet zu sein. Auch wenn die Entscheidungen des BSG im Ergebnis eine gewisse Tendenz gegen die freiberufliche Tätigkeit des Honorararztes im Krankenhaus darstellen, kann man durch entsprechende Vertragsgestaltung und gelebte Praxis dennoch in Einzelfällen ein Honorararztverhältnis auf freiberuflicher Basis gewährleisten.

    Köln,  September 2019

 
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