Weiterbildungsassistenten sind aus keiner Krankenhausabteilung mehr wegzudenken und leisten wertvolle Dienste im Klinikalltag. Auch in den Praxen niedergelassener Ärzte hat die ärztliche Weiterbildung einen festen Platz. Die derzeit bestehenden Überlegungen, die Weiterbildung im ambulanten Bereich zu stärken, werden zukünftig zu einer erheblichen Zunahme von Weiterbildungsassistenten in den Praxen niedergelassener Ärzte führen. Bei der Beschäftigung und Betreuung der Weiterbildungsassistenten sind einige rechtliche und tatsächliche Gesichtspunkte zu beachten, die der Chefarzt als Abteilungsleiter und der niedergelassene Kollege in der eigenen Praxis als Inhaber einer Weiterbildungsbefugnis unbedingt kennen sollten, um Aufgaben im jeweiligen Verantwortungsbereich richtig zuweisen zu können und Haftungsrisiken zu vermeiden. Fehler können nicht nur zu falschen Abrechnungen, sondern je nach Einzelfall neben der Haftung des Weiterbildungsassistenten auch zur persönlichen Haftung des Chefarztes oder des Praxisinhabers wegen Organisationsverschuldens oder zum Entzug der Weiterbildungsbefugnis führen.
Während der Weiterbildung zum Facharzt sollen Weiterbildungsassistenten alle in den jeweiligen Weiterbildungsordnungen festgelegten theoretischen und praktische Kenntnisse und Fähigkeiten erlernen, um nach Ablegen der Facharztprüfung eine Behandlung nach Facharztstandard erbringen zu können. Die in der Regel fünfjährige Weiterbildungszeit hält bei der praktischen Umsetzung allerdings sowohl für den Weiterbildungsassistenten selbst als auch für den weiterbildenden Arzt tatsächliche und rechtliche Klippen bereit, die leider oft genug nicht ausreichend bedacht werden und später für beide Seiten zu unangenehmen Folgen führen können. Die grundlegenden Anforderungen sind in der Musterweiterbildungsordnung und den dazu ergänzend erlassenen Weiterbildungsrichtlinien niedergelegt; rechtlich verbindliche Wirkung entfalten jedoch nur die Weiterbildungsordnungen der jeweiligen Landesärztekammern. Diese regeln mal mehr, mal weniger ausführlich, wie die Weiterbildungszeit auszugestalten ist. Während der Katalog der Leistungsinhalte, die ein Weiterbildungsassistent während seiner Weiterbildungszeit ableisten und nachweisen können muss, detailliert festgelegt ist, bleiben in Bezug auf den Praxis- und Klinikalltag einige wichtige Fragen unbeantwortet. So stellt sich immer wieder die Frage, was mit dem Weiterbildungsassistenten passiert, wenn der weiterbildende Arzt im Urlaub oder erkrankt ist. Muss der Weiterbildungsassistent dann ebenfalls Urlaub nehmen oder kann er den Praxisinhaber vertreten? Was gilt bei kurzer Abwesenheit, z. B. bei Hausbesuchen oder akademischen Aufgaben? Darf der Weiterbildungsassistent seinen Ausbilder während dieser Zeit vertreten bzw. einem Kollegen unterstellt werden? Diese und andere wichtige Fragen sollen nachstehend erörtert und ein Überblick über die Rechtslage gegeben werden.
Persönliche Zuordnung des Weiterbildungsassistenten
Grundsätzlich kann die Weiterbildung nicht bei jedem beliebigen Arzt absolviert werden. Die Weiterbildungsordnungen sehen insoweit vor, dass die Weiterbildung in einer von der Ärztekammer zugelassenen Weiterbildungsstätte bei einem zur Weiterbildung befugten Arzt persönlich erfolgt und die Weiterbildung im Einzelfall genehmigt werden muss. Jeder Weiterbildungsassistent ist damit persönlich einem weiterbildenden Arzt zugeordnet, unter dessen Anleitung und persönlicher Verantwortung die Weiterbildung zu erfolgen hat. Der Weiterbildungsassistent, der in einer Gemeinschaftspraxis tätig ist, ist daher trotz gemeinsamer Berufsausübung mehrerer Praxispartner streng an den ihm zugeordneten weiterbildungsbefugten Arzt gebunden. In Krankenhäusern hat regelmäßig der Chefarzt - ggf. gemeinsam mit einem Oberarzt - die Weiterbildungsbefugnis für die in seiner Abteilung beschäftigten Weiterbildungsassistenten. Trotz gemeinsamer Berufsausübung mehrerer Fachärzte sind die Weiterbildungsassistenten daher streng an den Chefarzt als weiterbildungsbefugten Arzt gebunden, der die Anleitung und ggf. Überwachung persönlich und verantwortlich leisten muss. Bestehen Zweifel an der Geeignetheit des weiterbildenden Arztes, etwa aufgrund von Berufspflichtverletzungen, kann die Weiterbildungsbefugnis von der Ärztekammer wieder entzogen werden. Wie viele Assistenten ein weiterbildungsbefugter Arzt zeitgleich weiterbilden darf, ist weiterbildungsrechtlich nicht geregelt. Während im ambulanten Bereich aufgrund der Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung und des festgelegten Versorgungsauftrags in der Regel nur ein bis zwei Weiterbildungsassistenten pro Vertragsarzt möglich sein werden, kann der Chefarzt, alleine oder mit einem weiteren befugten Oberarzt gemeinsam, auch mehrere Weiterbildungsassistenten beschäftigen. Hier kommt es entscheidend darauf an, dass die erforderliche persönliche Anleitung, Betreuung und Dokumentation im Einzelfall gewährleistet werden kann.
Stationäre Weiterbildungsassistenten im Klinik-MVZ
Auch die mancherorts anzutreffende Handhabung einiger Kliniken, die im Krankenhaus beschäftigten Weiterbildungsassistenten nach Bedarf ins eigene Klinik-MVZ zu schicken, ist unzulässig, wenn das MVZ nicht als Weiterbildungsstätte zugelassen ist. Ist das Klinik-MVZ als Weiterbildungsstätte zugelassen, kommt eine Beschäftigung von im Krankenhaus angestellten Weiterbildungsassistenten aber auch nur dann in Betracht, wenn diese zusätzlich auch im MVZ angestellt werden. Andernfalls ergeben sich Abrechnungs- und Anerkennungsprobleme, da die Tätigkeit im MVZ als Teil der vertragsärztlichen Versorgung und damit in einem anderen Rechtskreis als in der Klinik erfolgt. Die praktische Relevanz zeigt sich darin, dass in den vergangenen Jahren die Beschäftigung von stationären Weiterbildungsassistenten in Klinik-MVZ zunehmend in den Fokus der Kassenärztlichen Vereinigungen und Strafverfolgungsbehörden gerückt ist und in diesem Zusammenhang Strafverfahren wegen Abrechnungsbetrugs gegen die verantwortlichen weiterbildenden Ärzte und die Geschäftsführer der beteiligten Anstellungskörperschaften eingeleitet worden sind.
Wie viel persönliche Anleitung ist nötig?
Nach den Weiterbildungsordnungen hat die Weiterbildung unter der persönlichen Anleitung des zur Weiterbildung befugten Arztes zu erfolgen. Diese pauschale Formulierung sorgt regelmäßig für Verunsicherung, weil das erforderliche Maß der Anleitung im Praxisalltag unklar ist. Persönliche Anleitung ist dabei nicht mit ständiger Aufsicht zu verwechseln. Der zur Weiterbildung befugte Arzt muss daher nicht jeden Handgriff des Weiterbildungsassistenten vorgeben und überwachen. Dies wird insbesondere vor dem Hintergrund deutlich, dass der Weiterbildungsassistent als approbierter Arzt - im Gegensatz etwa zu Studenten im Praktischen Jahr - bereits in der Lage sein muss, ärztliche Leistungen selbständig zu erbringen. Darüber hinaus ist das Ziel der Weiterbildung gerade die Vermittlung praktischer Fähigkeiten, wofür ein gewisses Maß an Selbständigkeit zu fordern ist. Es ist daher in der Regel ausreichend, wenn sich der weiterbildende Arzt zumindest in greifbarer Nähe befindet, um jederzeit eingreifen bzw. den Weiterbildungsassistenten überwachen zu können. Bei niedergelassenen Ärzten ist dafür der Aufenthalt in den Praxisräumlichkeiten ausreichend, die ständige Anwesenheit im Behandlungszimmer dagegen nicht erforderlich. Je fortgeschrittener der Weiterbildungsassistent ist, desto weniger benötigt er eine umfassende Überwachung und Anleitung durch den weiterbildenden Arzt. In diesen Fällen ist auch die selbstständige Anamnese, Erstellung eines Therapieplans und die Behandlung in Absprache mit dem weiterbildenden Arzt grundsätzlich möglich.
Weiterbildungsassistenten und Urlaub
Eine der am häufigsten gestellten Fragen betrifft den Fall, dass der weiterbildende Arzt im Urlaub, bei Tagungsaufenthalten oder auch aufgrund eines Hausbesuchs nicht in der Praxis oder Klinik anwesend ist. Hier muss differenziert werden: Generell ist es nicht zu beanstanden ist, wenn der weiterbildende Arzt für einen kurzen Zeitraum, etwa wegen Lehrverpflichtungen oder wegen eines Hausbesuchs oder Notfalls, die Klinik oder Praxis verlässt und der Weiterbildungsassistent für diese Zeit ohne Anleitung durch den ihm zugeordneten weiterbildungsbefugten Arzt ist. Dagegen können die Anforderungen an die persönliche Anleitung nicht mehr erfüllt werden, wenn sich der Ausbilder für längere Zeit im Urlaub befindet oder an Kongressen teilnimmt. Der Weiterbildungsassistent darf in diesen Zeiten zwar unter der Anleitung und nach fachlicher Weisung eines anderen Facharztes oder Oberarztes tätig werden; eine Anrechnung dieser Abwesenheiten der Ausbilder auf die Weiterbildungszeiten ist jedoch dann nicht mehr zulässig, wenn die Abwesenheit des weiterbildungsbefugten Arztes eine Dauer von sechs Wochen im Kalenderjahr überschreitet.
Weiterbildungsbefugnis bei Anleitung entscheidend
Insoweit hatte der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg mit Urteil vom 12.04.1984 - 9 S 2612/82 - ausdrücklich festgestellt, dass das Fehlen eines befugten Weiterbilders sich nicht ersetzen lässt und die Anleitung durch einen qualifizierten und förmlich anerkannten Arzt die zwingende Voraussetzung für eine berufsrechtliche Anerkennung der Weiterbildung ist. Ist der Chefarzt daher häufiger nicht in der Klinik und sind die Weiterbildungsassistenten ohne dessen Anleitung, besteht die Gefahr, dass die entsprechenden Weiterbildungszeiten nicht anerkannt werden. Nach den Weiterbildungsordnungen stellt gesetzlicher und sonstiger arbeitsrechtlicher Urlaub bis zu sechs Wochen im Kalenderjahr keine Unterbrechung der Weiterbildungszeit dar. Kann der Chefarzt oder Praxisinhaber aufgrund häufiger Abwesenheit und daraus folgender mangelnder persönlicher Anleitung die Weiterbildung nicht zuverlässig sicherstellen, kann die Ärztekammer ggf. die Weiterbildungsbefugnis wieder entziehen. Daneben bestehen haftungsrechtliche Risiken, wenn der Chefarzt die Anleitung der Weiterbildungsassistenten durch geeignete Fachärzte während seiner Abwesenheit nicht zuverlässig koordiniert.
Weiterbildungsassistent als Vertreter?
Aus den vorgenannten Gründen ergibt sich auch, dass der Weiterbildungsassistent seinen Ausbilder grundsätzlich nicht vertreten darf. Einige Weiterbildungsordnungen sehen jedoch Ausnahmen vor. So ist es etwa in Baden-Württemberg Weiterbildungsassistenten ab dem fünften Weiterbildungsjahr erlaubt, für einen bestimmten Zeitraum den weiterbildenden Arzt zu vertreten.
Haftung bei Fehlern des Weiterbildungsassistenten
Nach ständiger Rechtsprechung gilt für die Anforderungen an den Behandlungsstandard für die ärztliche Versorgung im Krankenhaus und in der Praxis niedergelassener Ärzte in allen Phasen der ärztlichen Betreuung der Facharztstandard. Dies bedeutet zwar nicht, dass nur Fachärzte die Behandlung übernehmen dürfen. Es darf jedoch durch die Übertragung von Aufgaben an einen Weiterbildungsassistenten, für die er noch nicht ausreichend qualifiziert ist, kein zusätzliches Risiko für den Patienten entstehen. Bei Anfängeroperation muss daher immer ein Facharzt assistieren. Ist das nicht der Fall und führt die Operation zu Komplikationen für den Patienten, besteht ein Indiz dafür, dass die unzureichende Qualifikation ursächlich dafür ist. Im Schadensersatzprozess tragen dann der Krankenhausträger sowie der verantwortliche (Chef-) Arzt die Beweislast dafür, dass die eingetretene Komplikation gerade nicht auf der geringeren Erfahrung des Weiterbildungsassistenten beruht. Unter dem Stichwort Organisationsverschulden haftet der Chefarzt grundsätzlich, wenn er seine Auswahl-, Überwachungs- und Anleitungspflichten als leitender Arzt verletzt, da der Fehler dann im „Organisationsbereich“ des Krankenhauses entstanden ist. Daneben kommt grundsätzlich die eigene Haftung des Weiterbildungsassistenten wegen Übernahmeverschuldens in Betracht, wenn er eine Aufgabe übernimmt, der er fachlich (noch) nicht gewachsen ist und seine mangelnde Qualifikation hätte erkennen müssen.
Problem Bereitschafts- und Nachtdienst
Im vertragsärztlichen ambulanten Bereich ist ausdrücklich geregelt, dass Weiterbildungsassistenten nicht am Notdienst teilnehmen dürfen. Für die stationäre Versorgung gibt es keine entsprechende Regelung mit der Folge, dass Weiterbildungsassistenten häufig zum Bereitschaftsdienst und zur Nachtschicht eingeteilt werden. Haftungsrechtlich ist dies dann nicht zu beanstanden, wenn der Weiterbildungsassistent bereits die notwendigen Kenntnisse und praktischen Fähigkeiten besitzt, um auch ohne förmliche Facharztanerkennung den Facharztstandard gewährleisten zu können und im Zweifel einen erfahrenen Facharzt hinzuzieht. Allerdings droht hier stets die eigene Haftung des Chefarztes, wenn er Weiterbildungsassistenten zu viel abverlangt und zum Dienst einteilt, obwohl diese noch nicht die nötige Erfahrung besitzen.
Persönliche Leistungserbringungspflicht
Aber auch in Bezug auf eine ordnungsgemäße Abrechnung spielt das Maß der persönlichen Anleitung eine Rolle. Der Vertragsarzt in eigener Praxis ist vertragsarztrechtlich zur persönlichen Leistungserbringung verpflichtet. Auch nach Berufsrecht hat der Arzt Leistungen grundsätzlich höchstpersönlich und in eigener Verantwortung zu erbringen, um dem Vertrauen des Patienten auf die fachlichen Fähigkeiten des ausgewählten Arztes gerecht zu werden. Leistungen des Weiterbildungsassistenten können ihm daher nur dann zugerechnet werden, wenn sie unter der persönlichen Anleitung des weiterbildenden Arztes erfolgen. Folglich sind nur solche Leistungen des Weiterbildungsassistenten anrechnungsfähig, bei denen sich der Ausbilder vergewissert hat, dass die Behandlung den qualitativen Anforderungen entspricht. Die Grenze des Zulässigen ist in der Regel erreicht, wenn der Praxisinhaber den Umfang seiner vertragsärztlichen Tätigkeit durch die Einstellung von Assistenten soweit ausdehnt, dass eine persönliche Überwachung und Anleitung nicht mehr möglich ist. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass nach § 32 Abs. 3 der Zulassungsverordnung-Ärzte die Beschäftigung eines Assistenten nicht zu einer Vergrößerung der Praxis oder der Aufrechterhaltung eines übergroßen Praxisumfangs führen darf. Im Rahmen von Plausibilitätskontrollen prüfen die Kassenärztlichen Vereinigungen, ob ein Vertragsarzt die Leistungen persönlich oder im Rahmen einer zulässigen Delegation durch genehmigte Ärzte - z.B. durch Weiterbildungsassistenten - erbracht hat. Auffälligkeiten sind immer dann zu beobachten, wenn eine auffällige und unerklärliche Zunahme der Fallzahlen bzw. des gesamten Abrechnungsvolumens vorliegt. Durch die Rechtsprechung anerkannt ist eine Anrechnung der Leistungen des Weiterbildungsassistenten und damit Vergrößerung des Praxisumfangs um 25 %, wobei dies keine feste Grenze darstellt, sondern auch unterhalb dieser Grenze eine unzulässige Praxisvergrößerung anzunehmen sein kann. Bei der Beschäftigung von Weiterbildungsassistenten ist daher immer auch darauf zu achten, dass der Weiterbildungsassistenten nicht durch eine übermäßige selbständige Tätigkeit das Praxisvolumen vergrößert und der Praxisinhaber gegebenenfalls Konsequenzen, wie Disziplinarverfahren, Zulassungsentziehungsverfahren oder gar die Verurteilung in einem Strafverfahren wegen Abrechnungsbetruges, welches je nach Strafmaß den Entzug der Approbation nach sich ziehen kann, riskiert.
Fazit
Verbindliche Vorgaben, die die Weiterbildung detailliert regeln und jeden denkbaren Praxisfall abbilden, gibt es nicht. Die vorgenannten Ausführungen sind dabei als Faustregeln zu verstehen. Letztlich ist jedoch in jedem Einzelfall und nach den Fähigkeiten des jeweiligen Weiterbildungsassistenten zu entscheiden, wie viel Betreuung, Anleitung und Kontrolle dieser benötigt, um für sich selbst maximale Weiterbildungserfolge zu erzielen und den Patienten jederzeit eine Behandlung nach Facharztstandard zu garantieren.
Köln im Oktober 2014
Rechtsanwalt Dr. A. Wienke
Fachanwalt für Medizinrecht
Rechtsanwältin R. Sailer, LL.M.
Fachanwältin für Medizinrecht
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